Alkoholsucht ist ein gravierendes gesellschaftliches Problem; jeder 5. Mann und fast jede 6. Frau in Deutschland trinken zu viel, etwa 1,8 Millionen sind süchtig. Hat die oder der Abhängige Familie, so verschärfen sich die Schwierigkeiten. Denn der Familienalltag ändert sich grundlegend, aus Familien werden regelrechte „Suchtfamilien“:
Der suchtkranke Vater oder die suchtkranke Mutter verhalten sich meist extrem gegensätzlich. In nüchternem Zustand sind sie fürsorglich und liebevoll, unter Alkoholeinfluss verlieren sie oft jegliche Beherrschung, werden verbal und körperlich aggressiv. Fürsorge und viele Versprechen gehen einher mit Desinteresse und Ablehnung.
Die Partnerin oder der Partner ist viel zu häufig inkonsequent, versucht die Beziehung über Jahre und Jahrzehnte aufrecht zu erhalten. Aus Scham wird lange die Inanspruchnahme professioneller Hilfe vermieden – und sei es auf Kosten der eigenen Gesundheit.
Kinder und Jugendliche leiden darunter ganz besonders, sie entwickeln eigene Rollenverhalten (Helden, Sündenböcke, verlorene Kinder, Clowns), sind dadurch aber nicht vor seelischen Problemen gefeit. Sie schneiden in Intelligenztests schlechter ab, verhalten sich in der Schule unangemessen, neigen zu Hyperaktivität und gestörter Aufmerksamkeit. Ängste und depressive Symptome bleiben nicht aus, genauso wie somatische und psychosomatische Symptome. Und da Kinder in Familien das Konsumverhalten von den Eltern übernehmen, werden sie öfter suchtkrank.
Menschen mit Suchtproblemen fällt es oft schwer, sich damit konstruktiv auseinanderzusetzen. Schon deren Benennung als solche ist nicht leicht und es macht Mühe, sie als Bestandteil der eigenen Persönlichkeit zu akzeptieren. Infolgedessen werden die mit einer Abhängigkeitserkrankung verbundenen Konsequenzen im Sinne gesundheitlicher, persönlicher, familiärer und beruflicher Schwierigkeiten und Probleme lange nicht offen angesprochen, vermieden oder verleugnet. Daraus entstehen wiederum negative Gefühle von Unzufriedenheit und Unzulänglichkeit und schlimmstenfalls ein Teufelskreis aus Sucht, Schuld und Scham. Diese betreffen nicht nur den einzelnen Patienten sondern immer auch sein familiäres und soziales Umfeld. Insofern erscheint die Einbeziehung von Familienangehörigen im engen oder weiteren Sinne in die Therapie und Rehabilitation dieser Erkrankungen grundsätzlich sinnvoll.
Suchtbelastete Familien sind Familien in denen ein Mitglied der Familie suchtkrank ist und/oder in denen einzelne oder mehrere Familienmitglieder (Erwachsene, Kinder und Jugendliche) durch diese Erkrankung psychisch, sozial und beruflich belastet werden.
Die Rehaklinik Birkenbuck und die benachbarte Klinik Kandertal als psychosomatische Fachklinik bieten suchtbelasteten Familien zwei neue und einzigartige stationäre Behandlungskonzepte an:
- Kombi-Plus für abhängigkeitskranke alleinerziehende
- Patientinnen oder Patienten mit Kind(ern)
- Begleitende familientherapeutisch orientierte Behandlung
Kombi-Plus für abhängigkeitskranke Patienten mit Kindern
Der abhängige, in der Regel alleinerziehende Elternteil wird in der 8-wöchigen stationären Kombitherapie in der Rehaklinik Birkenbuck behandelt. Die Behandlung der Kinder erfolgt entsprechend ihrer Indikation zeitgleich in der Rehaklinik Kandertal. Während der gesamten 8-wöchigen Aufenthaltsdauer findet die gemeinsame Behandlung von Elternteil und Kind(ern) im Rahmen von Familiengesprächen und interaktionellen Angeboten statt. Die Unterbringung und Verpflegung des Abhängigkeitskranken mit seinem/n Kind(ern) erfolgt in der Rehaklinik Kandertal.
Ziel der Kombi-Plus ist es, den Vater, bzw. die Mutter bei der Bewältigung der Abhängigkeit zu unterstützen. Dem Kind soll dabei geholfen werden, sich dem Alter gemäß zu entwickeln und Krankheiten zu lindern, die im Zusammenhang mit der Suchterkrankung des Elternteils stehen. In der gemeinsamen Therapie wird eine tragfähige Eltern-Kind-Beziehung aufgebaut.
Begleitende familientherapeutisch orientierte Behandlung (BefoR)
Die Behandlung des Suchtpatienten erfolgt zunächst im üblichen Rahmen einer Suchttherapie in der Rehaklinik Birkenbuck. Während der Phase stationären Behandlung kommt die Familie für 3-4 Wochen hinzu. Während der gemeinsamen Behandlungsphase ist die behandlungsbedürftige, begleitende Familie in der Rehaklinik Kandertal untergebracht.
Die Dauer der Suchtbehandlung erfolgt nach Vorgabe des federführenden Kostenträgers, abhängig vom jeweiligen Suchtmodul bis zu 16 Wochen.
Bausteine der Behandlung
Die Teams der beiden Kliniken arbeiten fallbezogen eng zusammen. Die behandelnden Psychotherapeuten beider Kliniken entscheiden gemeinsam, in welchem Setting die Therapiegespräche stattfinden.
Familiengespräche
Die Therapeuten haben eine familientherapeutische Weiterbildung. Die Gespräche finden ressourcen- und zielorientiert statt. Das Ziel ist, konkrete Veränderungen des Lebensstils zu erreichen.
Psychotherapeutische Angebote
Es werden indikationsspezifische Gruppen zusätzlich angeboten, wie z.B. Angstbewältigung, Depressionsbewältigung, Schmerzbewältigung, Essstörungen, Entspannungsverfahren. Für Kinder und Jugendliche gibt es u.a. Therapieangebote im Bereich Psychomotorik, Heilpädagogik, Kunsttherapie, Erlebnispädagogik sowie Entspannungsverfahren und soziales Kompetenztraining. Speziell für Kinder aus Suchtfamilien ist eine Steigerung von Selbstwertgefühl und sozialer Kompetenz wünschenswert.
Diese Inhalte werden in einem besonderen Gruppen-Setting vermittelt, das auf einem seit vielen Jahren bewährten Konzept zur Behandlung von Kindern aus suchtbelasteten Familien basiert.
Familiäre Interaktion
In der Rehaklinik Kandertal werden bewährte Interaktionsangebote im Bereich Psychomotorik, Kunsttherapie, Heilpädagogik sowie Erlebnispädagogik angeboten. Speziell bei Kindern und Partnern mit einer erheblichen Hilf- und Sprachlosigkeit bezüglich der Sucht und der bestehenden Konflikte ist eine Verbesserung der innerfamiliären Interaktion notwendig und dringlich.
Klinikschule
Wenn Schulpflicht besteht, besuchen die Kinder die staatlich anerkannte Klinikschule der Rehaklinik Kandertal. Kinder aus Suchtfamilien haben vielfache Probleme bei der kognitiven Entwicklung und Beeinträchtigungen der Schulleistungen. Die Klinikschule ist darauf eingestellt und bietet ihnen in Kleingruppen eine entsprechende Förderung durch Sonderpädagogen. Die Klinikschule nimmt bei Bedarf Kontakt zur Heimatschule auf, um Lernziele abzustimmen und Informationen auszutauschen.